INFRASTRUKTUR auf neuen Wegen

Dr Georg Inderst berät als unabhängiger Experte Pensionsfonds, institutionelle Anleger und multinationale Konzerne. Als einer der führenden internationalen Sachverständigen für Infrastrukturinvestitionen und -finanzierung in Industrie- und Schwellenländern kann er auf langjährige Erfahrung in den Bereichen Investment Management, Wirtschaftsforschung und Altersvorsorge zurückblicken. Im Folgenden geht Inderst auf die wichtigsten Stationen der Infrastrukturentwicklung seit 1984 ein, auf die Veränderungen, die diese Anlageklasse seither durchlaufen hat und auf zukünftige Trends.

Infrastrukturanlagen haben einen bemerkenswerten Wandel hinter sich. Was einst nur als sektorspezifisches Investment in den Aktien- und Anleihenmärkten galt, verwandelte sich nach den Privatisierungswellen der Achtziger- und Neunzigerjahre in einen Magneten für institutionelle Anleger. Die bis dahin eher unattraktiven Wertpapiere von Strom-, Wasser- und Telekommunikationsunternehmen entpuppten sich als wahre Schätze mit stetigen und soliden Erträgen.

In den 1990er Jahren entstand in Australien mit nicht börsennotierten oder privaten Infrastrukturinvestitionen eine völlig neue Anlageklasse. Diese breitete sich um die Jahrtausendwende nach Kanada und Europa aus und eroberte schließlich auch die USA, Asien und andere Regionen. Das Volumen dieser Kapitalanlagen wuchs kontinuierlich an und beträgt heute weltweit über 1 Billion US-Dollar.

Trotz ihrer recht jungen Geschichte hat sich die Welt der Infrastrukturinvestitionen bereits stark gewandelt. Ursprünglich standen kapitalintensive Großprojekte der wirtschaftlichen Infrastruktur im Mittelpunkt, etwa Investitionen in den Verkehrssektor (Flughäfen, Häfen, Autobahnen, Tunnel, Brücken, Schienen, U-Bahn) sowie in Strom-, Gas-, Wasser- und Kommunikationsnetze. In den letzten zehn Jahren rückte der Fokus zunehmend auf erneuerbare Energien, die mittlerweile fast die Hälfte aller Transaktionen ausmachen. Viele Portfolios sind daher inzwischen nachhaltiger ausgerichtet, jedoch mit deutlichem Schwerpunkt auf Wind- und Solarkraft.

Auch die digitale Infrastruktur, etwa Glasfaserkabel, Satellitentürme und Rechenzentren, verzeichnet vor allem seit der COVID-19-Pandemie beträchtliche Zuwächse. Während der Corona-Krise rückte auch die soziale Infrastruktur verstärkt ins Rampenlicht, unter anderem in den Bereichen Gesundheit und Pflege, Bildung und Kultur sowie sozialer und bezahlbarer Wohnraum. Dennoch sind derartige Investitionen nach wie vor eher selten und hauptsächlich in Europa vorzufinden. Festzuhalten bleibt, dass sich der Infrastrukturbegriff kontinuierlich weiterentwickelt – von „harten“ hin zu „weichen“, von physischen zu virtuellen Netzwerken, die der Gesellschaft essenzielle Dienste leisten.

Auch in Zukunft dürften allseits bekannte Megatrends wie Urbanisierung und Digitalisierung weiterhin die Richtung für Infrastrukturinvestitionen vorgeben. Insbesondere der digitale Wandel eröffnet große Chancen, birgt aber auch enorme Herausforderungen, insbesondere das zunehmende Risiko der Cyberkriminalität.

Mittlerweile ein weiteres wichtiges Thema für Anleger ist die Dekarbonisierung. Investitionen in herkömmliche erneuerbare Energien reichen nicht mehr aus, stattdessen stehen Anlagen rund um die Energiewende hoch im Kurs. Dies gilt vor allem für Lösungen für die Übertragung und Verteilung, Batterien und Netzstabilisierung, CO₂-Abscheidung und -Speicherung, Wasserstoff und Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Auch Energieeffizienz und -sicherheit sowie die klimaresiliente Modernisierung der Verkehrsnetze stehen noch nicht stark genug im Fokus, da bisher viel zu wenig Geld in Initiativen zur Anpassung an den Klimawandel geflossen ist.

Voraussetzung für all dies ist eine besonnene Regierungsführung, die die richtigen Rahmenbedingungen schafft, um privates Kapital anzuziehen. Doch hier lauert die vielleicht größte Herausforderung: die Politik. Investoren sind sich bewusst, dass Infrastrukturprojekte unweigerlich mit politischem Einfluss verbunden sind, ob dies nun regulierte Versorgungsunternehmen, öffentlich-private Partnerschaften oder Verträge mit lokalen Behörden betrifft. Ein plötzlicher Kurswechsel bei Gesetze und Vorschriften kann sämtliche Kalkulationen zunichtemachen.

Aber damit nicht genug: Es ist ein Phänomen zu beobachten, das man als „Infrastrukturalismus“ bezeichnen könnte. In den letzten Jahren haben viele Länder still und leise begonnen, ihre strategisch wichtigen Industrien vor ausländischem Einfluss abzuschirmen – aus Sorge um die nationale Sicherheit. Dies betrifft längst nicht mehr nur den Verteidigungssektor, sondern auch Branchen wie Transport, Stromerzeugung, Kommunikation, Rohstoffe, High-tech, künstliche Intelligenz und Forschung. Die Folgen? Verzögerungen, Unsicherheit und höhere Kosten. Kein Wunder, dass sich immer mehr Anleger von lokalen Politexperten beraten lassen.

Ein letzter wichtiger Punkt ist, dass Infrastrukturinvestitionen unweigerlich große wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkungen haben. Positiv daran ist der naheliegende Zusammenhang mit Umweltschutzzielen, etwa im öffentlichen Nahverkehr oder bei der Trinkwasserversorgung sowie mit gesellschaftlichen Themen wie Gesundheit und Bildung. Die Kehrseite ist jedoch, dass Infrastrukturunternehmen häufig zu verschwenderischen Entscheidungen, komplexer Finanzplanung, Umweltzerstörung und nicht zuletzt Korruption neigen.

Eigentümer von Vermögenswerten können durch die Beteiligung an problematischen Infrastrukturprojekten einen erheblichen Image- und Rechtsschaden davontragen. Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden und der breiten Öffentlichkeit ist entscheidend. Ein bloßes Bekenntnis zur Nachhaltigkeit reicht nicht aus. Anleger verlangen greifbare Verbesserungen. Das gilt umso mehr für private Eigentümer und Betreiber öffentlicher Infrastruktur.

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